Via Kasachstan zurück nach Russland
Zum zweiten Mal reisten wir nun auf dieser Tour durch Kasachstan, die Strassen waren leider auch in diesem ganz westlichen Landesteil nicht besser als beim ersten Mal im Osten respektive am Schluss in Usbekistan. Aber im Gegensatz zu Usbekistan hatten wir hier keine Dieselsorgen mehr, denn Tankstellen mit gutem Diesel gab es wieder viele und um sie zu finden war keine iOverlander-App mehr notwendig. Die Tourbegleitung empfahl uns entweder bei Helios oder Kazmunaigaz zu tanken, die in jeder grösseren Ortschaft vertreten waren. Bei Helios gab es sogar AdBlue in Kanistern.
Neu waren dieses Mal in Kasachstan für uns die vielen steppenartigen Tiefebenen, sehr tief und kaum noch grün. Meist befanden wir uns 10 – 20 Meter unter dem Meeresspiegel. Links und rechts der Strasse entdeckten wir immer wieder kleine, ausgetrocknete Seen und Tümpel, bei denen eine weiss leuchtende Salzkruste auf dem Sand lag. Um diese für uns exotische Szenerie besser fotografieren zu können, stiegen wir regelmässig auf das Dach von Jupi – sozusagen als Drohnenersatz. Der Erfolg war allerdings mässig, da die Seen oft einfach zu gross waren respektive unser Jupi zu wenig hoch für dieses Unterfangen. Die Temperaturen betrugen immer mehr als 30 Grad, meist hatten wir im Laufe des Nachmittages 36 – 38 Grad, manchmal auch mehr. Auf dem Dach verbrannte man sich dabei fast die Fusssohlen…
Der Höhepunkt in Kasachstan war der Besuch des Kaspischen Meeres. Auch sein Wasserspiegel befindet sich tiefer als der Meeresspiegel, es sind -28 Meter. Genau genommen ist das Kaspische Meer kein Meer sondern ein See ohne Abfluss, ein Salzsee. Ein Meer muss per Definition direkt mit den Ozeanen verbunden sein oder mit einem andern Meer, das ist z.Bsp. beim Mittelmeer der Fall via Strassen von Gibraltar oder dem Schwarzen Meer via Bosporus und dem Mittelmeer. Ein See ist immer vollständig von Landmasse umgeben, deshalb spricht man auch von Kaspisee. Er ist der grösste See der Erde, 1’200km lang und bis zu 435km breit. Im Norden ist er sehr flach und nur 6 Meter tief, im Süden aber fast 1’000 Meter und damit nach dem Baikalsee der zweittiefste See der Erde. Der grösste Fluss, der in ihn mündet ist die Wolga und über dessen Kanäle ist er mit dem Schwarzen Meer verbunden und auch dem Weissen Meer ganz im Norden.
Wir übernachteten direkt am riesigen Sandstrand, allerdings mit genügend Abstand zum Ufer, da je nach Windrichtung das Wasser bei diesem sehr flachen Gelände schnell mehrere 100 Meter und mehr ins Landesinnere vordringen kann.
Darauf ging es gleich weiter zur russischen Grenze. Die Strassen in Kasachstan waren wie weiter oben bereits erwähnt miserabel, aber das waren wir uns ja schon gewohnt. Doch zu unserer Überraschung wurden sie rund 35km nach dem Kaspischen Meer spürbar besser und besser, am Schluss konnten wir tatsächlich wieder einmal mit 90km/h fahren. Die Grenze zu Russland überquerten wir problemlos ein drittes Mal auf dieser Reise, alles war sehr geregelt und geordnet. Wir fuhren auf den guten russischen Strassen gleich weiter und überquerten verschiedene Seitenarme des Wolgadeltas, einmal sogar über eine Pontonbrücke bevor wir nach Astrachan reinfuhren. Astrachan liegt am Rande des Wolgadeltas, wo dieser Fluss nach über 3’500km wie erwähnt ins Kaspische Meer fliesst. Die Wolga ist damit der längste und wasserreichste Fluss Europas. Die Donau ist mit einer Länge von rund 2’850km der zweitlängste Fluss Europas, der Rhein ist mit einer Länge von 1’233km die Nummer sieben.
In Astrachan versuchten wir wieder einmal unsere Wäsche zu waschen, seit unserem letzten Waschen in Barnaul/Russland waren schon einige Wochen vergangen. Wir fanden auch mit Hilfe von Google einen Waschsalon und dort sprach auch eine Person Englisch. Als sie uns aber fragte, ob es ok sei, wenn wir die Kleider in einer Woche abholen würden, machten wir sehr grosse Augen, sie verkürzte dann auf drei Tage, doch dies war für uns immer noch zu lang. Wir dachten von Nachmittags 14 Uhr bis am nächsten Morgen sollte es möglich sein drei bis vier Maschinen zu waschen und zu trocknen. Doch scheinbar hatten sie keinen Wäschetrockner und hängten deshalb die Wäsche zum Trocknen jeweils im Freien unter einem Dach auf – und für die nächsten Tage war Regen angesagt. Also müssen wir warten bis Tiflis/Georgien, dort gibt es gemäss iOverlander einen Waschsalon mit Trockner.
Uns war schon im Voraus in der Tourplanung von Abenteuer Osten aufgefallen, dass gegen Ende der Reise sehr viel gefahren werden muss und es kaum noch Ruhetage gibt. Von Chiva/Usbekistan über Kasachstan, Russland und dann sofort weiter nach Tiflis in Georgien, rund 2’500km verteilt auf 10 Fahrtage hintereinander, kein einziger Ruhetag, Besichtungen müssen irgendwie dazwischen gedrängt werden, grössere Alternativrouten sind fast nicht möglich. Auch danach ginge es gemäss Planung im ähnlichen Tempo weiter, Endpunkt der Tour wäre Krakau in Polen. Für uns war schon von Anfang an klar, dass wir uns irgendwo auf der Rückreise ausklinken würden, denn wir durchfahren zu schöne Gegenden, um da nur durchzurasen. Deshalb haben wir kurz nach der Ausreise aus der Mongolei der Tourleitung unseren Plan mitgeteilt: Wir wollten in Russland unbedingt zum Elbrus, dem höchsten Berg Europas und würden deshalb die Gruppe in Pjatigorsk verlassen, bevor sie weiter nach Georgien fährt.
Die vielen Fahrtage nagten an den Nerven verschiedener Mitfahrenden, bei einigen war sogar eine gereizte Stimmung gegenüber der Tourbegleitung spürbar. Jeder kleinste Fehler wurde kommentiert und kritisiert sowie an vielem etwas ausgesetzt. Für Bettina und mich war die Tour ein spannendes und sehr positives Erlebnis, wir hatten interessante Bekanntschaften gemacht und wieder viel gelernt. Für uns sehr positiv waren die grossen Freiheiten, welche die Tourbegleitung uns bezüglich Routenwahl und auch Übernachtungsorten gab, praktisch nichts war obligatorisch. Bettinas und meine Devise lautete deshalb, dass wir von diesen positiven Aspekten profitieren wollen und das «Negative» irgendwie hinnehmen, wobei wirklich stark Negatives gab es für uns nicht. So ist es eben unmöglich mit einer Gruppe von fast 20 Fahrzeugen, sehr unterschiedlichen Fahrzeugen, immer geniale Übernachtungsplätze zu finden oder eine Route zu finden, die für jeden interessant ist oder bei Restaurantbesuchen immer ein Essen zu organiseren, das allen mundet etc. Teilweise machte sich die Tourbegleitung das Leben auch selber schwer, versprach (zu) vieles und hatte dann entsprechenden Aufwand für Abklärungen, konnte diese oft nicht bis zum versprochenen Zeitpunkt durchführen und «vergass» dies mitzuteilen, so dass entsprechende Gerüchte entstanden…
Bettina und ich hätten gern mehr Natur und weniger Kultur gehabt, denn in fast jeder grösseren Stadt gab es «Kultur-Touren» wo wir bald zum x-ten mal die schönste Kirche und/oder einen einmaligen Kremel besichtigten und wo uns ein meist lokaler Guide mit viel zu vielen Namen und Jahreszahlen bombardierte, die man rasch wieder vergass. Weniger wäre oft mehr gewesen. Ich verzichtete deshalb auf viele Führungen. Leider gab es fast nie Führungen bezüglich Natur oder Technik.
Trotz unserem Vorsatz, nur das Positive zu sehen ärgerte ich mich ziemlich, als der «Tourdirektor», immerhin die Nummer Zwei bei Abenteuer Osten, gegen Ende verschiedene Etappen in Usbekistan, Kasachstan und Russland kritisierte, als so nicht durchführbar kommentierte und deshalb änderte, als hätte er diesen Teil der Reiseplanung erst jetzt zum ersten Mal gesehen. Und dann die neue Planung wieder änderte, weil er noch gemerkt hatte, dass die kasachische Versicherung nicht so lange gültig war und dann wieder änderte, weil es ja sonst mit dem bestellten Guide in Georgien nicht aufginge und wieder und man jeweils einfach via Roadbook am Abend vor vollendete Tatsachen gestellt wurde…
Mir kam immer wieder der aus meinem früheren Projektleiterleben viel zitierte Satz in den Sinn: «Planung heisst Zufall durch Irrtum ersetzen.»
Nach Astrachan ging es über Elista nach Pjatigorsk, wo das Team MUSS (Mercedes Unimog Sprinter Sprinter) ein letztes Mal eine (kleine) Alternativroute wählte und irgendwo im Grünen nach Elista zum letzten Mal zusammen grillierte und den Abend genoss. Die Temperaturen waren seit dem Kaspischen Meer merklich gesunken, man könnte fast von einem Temperatursturz sprechen. Statt 38°C hatten wir tagsüber nur noch 25°C und wir mussten uns wieder warm anziehen, ja am Abend beim Grillieren sogar richtig einpacken. Wir waren uns solch tiefe Temperaturen nur während der Nacht gewohnt… Es hatte hier auch wieder Mücken, dabei dachten wir, deren Saison sei vorbei, seit Kirgistan hatten wir nämlich kaum noch welche abwehren müssen. Was es in diesem Teil von Russland auch gab und neu für uns in diesem grossen Land war, waren die vielen Polizeikontrollen. Immer wieder wurde man angehalten und musste entweder Führerausweis oder Pass zeigen. Auf unserer Alternativroute wurden wir alle drei rausgenommen, der Polizist hatte dann mit unseren Schweizer Führerausweisen Probleme, weil er kein Ablaufdatum fand.
Am nächsten Tag ging es weiter nach Pjatigorsk, über eine Strasse die gerade gesplittet wurde. Wie in Russland üblich wurde man auch hier an den unmöglichsten Stellen mit überhöhten Tempo überholt und das Split schoss dabei nur so hinaus. Etliche Fahrzeuge holten sich hier Steinschläge in der Frontscheibe. In Pjatigorsk selbst standen wir auf einem Motel-Campingplatz und es gab sogar eine Waschmaschiene. Diese war natürlich heiss begehrt, doch wir konnten noch eine 60°-Wäsche machen. Wir verabschiedeten uns am 5. September mit einem Umtrunk von der Gruppe und sind nun seit dem 6. September wieder alleine unterwegs.
Die Gruppe fuhr noch zusammen nach Georgien, zuerst in die Hauptstadt Tiflis und dann weiter nach Batumi am Schwarzen Meer. Dort teilte sie sich auf: Ein Teil fuhr mit der Fähre nach Odessa in die Ukraine und von dort weiter nach Krakau in Polen, dem offiziellen Ende. Ein zweiter Teil fuhr durch die Türkei der Schwarzmeerküste entlang nach Istanbul, wobei auch hier einige sich trennten und selbstständig durch die Türkei fuhren. Die ursprünglich vorgesehen Route, zurück über Russland in die Ukraine, fuhr niemand.
Bettina und ich nahmen Kurs auf den Elbrus, ab jetzt ist bei uns «Langsamreisen» angesagt.