Grande-Prairie – Alaska-Highway – Robert Campbell Highway – Klondike-Highway – Top of the World Highway – Dawson-City
vom 27. Juli – 9. August 2022
Grande-Prairie
In Grande-Prairie, unserer letzten grossen Stadt der Provinz Alberta, tanken wir Jupi noch einmal randvoll, denn der Diesel ist hier so gĂŒnstig wie sonst nirgends in Kanada. An einer Tankstelle von Mobil/Esso können wir fĂŒr umgerechnet CHF 1.24 tanken. Mit dem «eingesparten» Geld gehen wir dann am Abend ins Kino und schauen uns den Fliegerfilm Top Gun an, der geniale Flugszenen mit der F/A-18 beinhaltet, einem Kampfjet, der auch in der Schweiz fliegt. Interessant wĂ€re zu wissen, wieviel vom Film real gefilmt wurde und wieviel am Computer entstand. Das Gesicht vom Hauptdarsteller Tom Cruise sieht auf jeden Fall viel kantiger und weniger rund aus, als es heute real istâŠ
Am nĂ€chsten Morgen gehen wir zur Dumping-Stelle, die am Rand eines schönen Parks liegt. Wir gehen dort vor dem Dumpen eine Runde joggen, hat es doch von diesem Park zu einem weiteren eine durchgehende Strecke von rund 10km, wo man spazieren oder eben rennen kann, ohne eine einzige Strasse zu ĂŒberqueren. Es hat mehrere UnterfĂŒhrungen und ein Grossteil der Strecke fĂŒhrt entlang eines Baches, genial. Dabei entdecke ich eine aktive EisenbahnbrĂŒcke, deren oberer Teil aus Stahl ist, die Pfeiler aber aus Holz bestehen. Diese Konstruktionsweise ist uns schon bei mehreren EisenbahnbrĂŒcken aufgefallen, hier konnte ich sie zum ersten Mal ganz aus der NĂ€he betrachten.
(wie immer: auf das Bild klicken, damit es grösser und schÀrfer wird)
Provinz British Columbia
Danach fahren wir Richtung Dawson Creek, dem Beginn des Alaska Highways und reisen zum zweiten Mal innert 10 Tagen in die Provinz Britisch Columbia ein (nach dem Ausflug zum Wells Gray NP). Hier mĂŒssen wir die Uhren ein letztes Mal zurĂŒckstellen, jetzt sind wir -9 Stunden zur Schweiz im Verzug, mehr wird es nicht mehr, ausser wir wĂŒrden nach Alaska einreisen, was wir aber fĂŒr dieses Jahr nicht vor haben.
British Columbia ist mit 945’000 km2 zwei Mal so gross wie die Schweiz, Ăsterreich und Deutschland zusammen und hat aber nur 5 Millionen Einwohner, ein bisschen mehr als die HĂ€lfte der Schweiz, weniger als ein Zehntel von Deutschland.
Talni-Crew
Gleich nach der Ăberquerung der Provinzgrenze halten wir auf einem Rastplatz um das FrĂŒhstĂŒck zuzubereiten. Kaum angehalten, da klopft es schon an unserer TĂŒr. «Sali zĂ€me», tönt es im BĂŒndner Dialekt. Adolf und Rosmarie aus dem BĂŒndnerland haben uns eben im RĂŒckspiegel entdeckt, als sie den Rastplatz mit ihrem Unimog Richtung Norden verlassen wollten. Wir reden fast eine Stunde miteinander, entdecken rasch unsere gemeinsamen «Unimog-Bekannten» Conny und Herbert aus dem Thurgau und vereinbaren, uns gegen 16 Uhr wieder via WhatsApp zu melden, um einen gemeinsamen Ăbernachtungsplatz anzusteuern. Dort vergleichen wir unsere bisherigen und geplanten Routen. Sie erzĂ€hlen uns, dass sie bereits anfangs Mai Talni in Halifax ĂŒbernahmen und dann nach Neufundland und Labrador reisten. In Happy Valley-Goose Bay fuhren sie mit einem FĂ€hrboot bis ans Meer, teilweise mit einem Eisbrecher voraus, und konnten sogar EisbĂ€ren beobachten. «Diese Fahrt war bis jetzt der Höhepunkt unserer Reise», erzĂ€hlt Adolf und zeigt uns Bilder von der Schiffspassage. Sie sind auch am Dempster-Highway interessiert, wollen aber zusĂ€tzlich noch nach Alaska. Von daher sind sie im Moment zĂŒgig unterwegs, wĂ€hrend wir mehr Zeit haben, um die vielen interessanten Details dieser Region zu besuchen.
Adolf ist 10 Jahre Ă€lter als ich und arbeitete in den 80er Jahren als Fernfahrer, brachte Ware in den Iran, Irak, nach Syrien und bis nach Saudi Arabien. Und dies alles ohne ein Wort Englisch oder Französisch zu sprechen, irgendwie unvorstellbar. Auf meine Frage, was er denn so transportierte meinte er: «Material fĂŒr den Bau, aber auch Maschinen und Elektrokasten.» Wir kombinieren dann, dass die Chance sehr gross war, dass er Elektro-SchaltschrĂ€nke von Sprecher und Schuh, wo ich meine Lehre als Elektromechaniker absolvierte, in den Iran und Irak transportierte. So schliessen sich die Kreise, unglaublich.
Strassenbezeichnungen
WĂ€hrend wir in Europa vorallem den Strassen innerhalb einer Ortschaft Namen geben und die grossen Ăberlandstrassen oder Autobahnen nur nummerieren wie A1 oder Europa 6, ist es hier in Nordamerika gerade umgekehrt. Die Strassen innerhalb einer Ortschaft werden meist nur durchnummeriert wie 1st Avenue oder 2nd Street, dafĂŒr erhalten die grossen Ăberlandstrassen Namen wie Transkanada-Highway, Alaska-Highway, Red Coat Trail usw., andere LĂ€nder – andere Sitten.
Alaska-Highway
Bereits nach dem grossen Goldrausch in den 1890er-Jahren gab es erste PlĂ€ne fĂŒr eine Strassenverbindung durch den kanadischen Yukon bis nach Fairbanks in Alaska, dann erneut in den 1920er-Jahre, nach der grossen Depression. Die USA wollten das bis dahin nur ĂŒber den See- oder Luftweg erreichbare Alaska direkter anbinden, vorallem auch um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Es wurden detaillierte PlĂ€ne ausgearbeitet, der Start der Strasse sollte in Dawson-Creek BC sein, da eine Eisenbahn bis dorthin fĂŒhrte. Danach sollte die Strasse von einer Ortschaft mit Flugpiste zur nĂ€chsten folgen. Da der grösste Teil der Strasse durch Kanada fĂŒhrte, war eine Zustimmung des nördlichen Nachbarn zwingend notwendig. Kanada aber befĂŒrchtete, dass sich der grosse sĂŒdliche Nachbar das Gebiet vereinnahmen könnte (wohl Ă€hnlich wie nach dem Bau des Panama-Kanals, als die sogenannte Panamakanal-Zone zu je 5 Meilen auf beiden Seiten des Kanals unter US-amerikanischer Verwaltung war).
Erst die Luftangriffe vom 7. Dezember 1941 der Japaner auf Pearl Harbour in Hawaii Ă€nderten die kanadische Haltung und im Februar 1942 beschloss man den sofortigen Bau der ca. 2’400km langen Strasse von Dawson-Creek nach Fairbanks. In nur 9 Monaten erstellten ĂŒber 12’000 Pioniere der US-Armee eine Piste, die allerdings oft sehr schlammig und schwer zu befahren war. Auf einigen TeilstĂŒcken gab es zwar bereits von frĂŒher Wege oder Strassen, doch an vielen Orten war noch gar nichts vorhanden. Nach den Pionieren der Armee bauten professionelle Tiefbau-Unternehmer den Schlammpfad in eine richtige Strasse aus, d.h. das Strassenbett wurde mit einem vernĂŒnftigen Fundament versehen und die OberflĂ€che mit Kies bedeckt sowie stabile BrĂŒcken gebaut und dies in nur 10 Monaten im Jahre 1943. Ich weiss gar nicht, welche Leistung höher zu werten ist, beides waren gigantische Anstrengungen, vor denen man sich heute nur verneigen kann.
In Dawson-Creek gibt es ein grosses Schild beim Kilometer Null des Alaska-Highway, wo natĂŒrlich auch wir stoppen und das obligate Foto machen und in Watson Lake im Visitor-Center existiert eine interessante Ausstellung ĂŒber den Bau, woher auch eines der folgenden Bilder stammt.
Wo sind die europÀischen Wohnmobile?
Auf unserem Weg von Halifax nach Westen haben wir uns immer wieder gefragt, wo die vielen europÀischen Fahrzeuge geblieben sind, welche die diversen FÀhren von Europa nach Kanada benutzten. Wir haben bis Alberta nur ganz selten europÀische Camper gesehen, erst in den Nationalparks von Banff und Jasper sahen wir einige mehr.
Hier auf dem Alaska-Highway Ànderte sich die Situation aber schlagartig, hier sehen wir sie massenweise und erkennen sie auch sofort, denn sie haben im Gegensatz zu nordamerikanischen Fahrzeugen praktisch nie eine Klimaanlage auf dem Dach. Dass wir vorallem hier so viele EuropÀer treffen liegt auch daran, dass es nur noch ganz wenige Strassen in den Norden gibt, so dass man hier fast zwangslÀufig durchkommen muss, wenn man z.Bsp. den Dempster Highway befahren oder Dawson-City besuchen will.
Fort-Nelson – Watson-Lake
Das rund 500 km lange TeilstĂŒck von Fort-Nelson nach Watson-Lake gilt gemĂ€ss unserem ReisefĂŒhrer als schönstes TeilstĂŒck des Alaska-Highway. Links und rechts der Strasse hat es immer wieder hohe felsige Berge und man sieht trotz dem vielen Wald auch etwas in die Weite, denn es geht immer wieder rauf und runter. Der höchste Punkt befindet sich auf rund 1’200mĂŒM.
Leider haben wir nur einen Tag lang wirklich gutes Wetter, am zweiten ist es plötzlich sehr diesig und nach einiger Zeit riechen wir es auch: Es ist Rauch. In einem Supermarkt wird uns erzÀhlt, dass es im Norden WaldbrÀnde gebe und der Wind den Rauch nun hierhin treibe. Die WaldbrÀnde sind auch auf der Strecke, die wir in den nÀchsten Tage befahren wollen, das ist nicht gut.
Am folgenden Tag haben wir am Morgen dicken Nebel und danach Regen, nur ab und zu reisst die Wolkendecke kurz auf. Doch gegen die WaldbrĂ€nde ist der Regen natĂŒrlich Gold wert, so können wir dem Wetter gar nicht richtig böse sein. Doch die viele Feuchtigkeit löscht nicht nur die WaldbrĂ€nde, sie beflĂŒgelt auch die Mosquitos, die sich wie wild vermehren. In unserer amerikanischen WetterApp von WeatherChannel hat es tatsĂ€chlich einen Mosquito-Index, der aussagt wie schlimm es damit ist. Im Moment steht er noch auf Mittel. Wie dies wohl gemessen wird?
Es gibt auf dem Highway einige lange Baustellen, wo der Belag vollstĂ€ndig entfernt wurde und man jetzt direkt auf dem Dreck fĂ€hrt. Zusammen mit dem Regen gibt das eine ziemlich Sache, siehe unser ziemlich verschmutzter Jupi, insbesondere die EinstiegsstufeâŠ
Hungriger BĂ€r
Kurz nach dem Wegfahren am Morgen frĂŒh entdecken wir einen Schwarz-BĂ€r am Waldrand. Es hat noch keine Autos auf der Strasse, Bettina kann problemlos 200 Meter rĂŒckwĂ€rts fahren, damit ich optimal fotografieren kann. Man stelle sich dies in der Schweiz vor, wegen einem Tier 200 m auf der Autobahn oder Hauptstrasse rĂŒckwĂ€rts zu fahrenâŠ
Der BĂ€r geht von Strauch zu Strauch und wenn vorhanden isst er ein paar Beeren, es sieht wundervoll aus.
Bison-Herde
Im Jahre 1995 wurden am Muncho-Lake Bisons ausgewildert. Es gefÀllt ihnen aber auch am Rande des Alaska-Highways sehr gut und wir sehen zwei grössere Gruppen, einmal rund 50 Tiere. Von so einer Herde trÀumen wir seit dem Besuch des Grassland NP.
Eigentlich muss man zu den Tieren einen Mindest-Abstand von 100 Metern einhalten, doch diese Tiere hier haben sich wegen ihrem Zweitjob als Fotomodell an Menschen gewöhnt und laufen mitten durch die Autos und Fotografen durch. Ich nutze das Dach von Jupi als Ansitzpunkt und komme mir dabei wieder einmal wie auf Safari vor, einfach genial.
Elche
An mehreren Orten sehen wir auch Elche. Meistens sind sie sehr scheu, rennen schnell ĂŒber die Strasse und verschwinden dann wieder im Wald. Einmal sehen wir aber eine durstige Elchkuh am Strassenrand, die sich durch uns nicht gestört fĂŒhlt und in aller Ruhe weiter sĂ€uft. Interessant ist dabei, dass sie zum Trinken auf die Knie geht.
Am Silver-Trail können wir einem jungen Elchbullen zuschauen, wie er im Wasser steht und dort irgendwelche Pflanzen frisst. Das Tier ist noch so jung, dass sein Geweih erst ganz klein sind. Allerdings ist er recht weit weg und es ist sehr dunkel zum Fotografieren.
Und dann haben wir das GlĂŒck, einen etwas Ă€lteren Elchbullen zu sehen, dessen Geweih schon etwas grösser ist, schon die typische Schaufel-Form hat. Zwar immer noch nicht ganz ganz gross, aber immerhin, wir wollen uns nicht beklagen.
Und am Schluss noch eine Elchkuh mit ihrem Jungen, die nach unserer Sichtung so schnell wie möglich ĂŒber die Strasse will und so schnell rennt, dass die Kieselsteine fliegen.
Liard River Hot Springs
In unserem ReisefĂŒhrer wird die Thermalquelle von Liard River gerĂŒhmt, es sei die zweitgrösste von Kanada und der Eintritt betrĂ€gt weniger als vier Franken. Wir kommen noch vor unserem FrĂŒhstĂŒck zeitig am Morgen an und es hat erst wenige Leute im Becken, mit denen wir aber sehr schnell ins GesprĂ€ch kommen. Zwei Camper-Paare haben wir schon bei der Bison-Herde gesehen (wie man’s nicht machen sollte …), jetzt haben sie entdeckt, dass wir französisch sprechen. Da sie aus MontrĂ©al sind freuen sie sich, französisch sprechende GesprĂ€chspartner gefunden zu haben und fĂŒr uns ist ihr Dialekt einfacher zu verstehen, als derjenige von Ville de QuĂ©bec. Wir bleiben sicher fast eine Stunde im Wasser, sehr angenehm.
Hinter dem Becken gibt es noch einen kleinen Wasserfall in grĂŒn und vor dem Becken das kleinste Visitor-Center, das wir bis jetzt gesehen haben. WĂ€hrend es im Thermalbecken gar keine MĂŒcken hat, wimmelt es in der Umkleidekabine und beim Wasserfall davon.
Yukon Territorium
Kurz vor der Ortschaft Watson-Lake ĂŒberqueren wir die Grenze zum Yukon Territory. Der Yukon ist keine kanadische Provinz sondern «nur» ein Territorium, d.h. sie haben nicht so viel Autonomie wie eine Provinz, wohl wegen der geringen Anzahl von Bewohnern: Mit einer Grösse von 482’000km2 ist das Yukon-Gebiet so gross wie die Schweiz, Ăsterreich und Deutschland zusammen, hat aber nur 43’000 Einwohner, davon leben zwei Drittel in der Hauptstadt WhitehorseâŠ
In Watson Lake gibt es einen sehr berĂŒhmten Schilderwald, wo ganz viele Reisende ein Strassenschild ihres Herkunftsortes, ein Nummernschild ihres Autos oder etwas Ă€hnliches aufgehĂ€ngt haben. Ich habe zwar im Vorfeld davon gelesen, aber nicht realisiert, dass wir da etwas hĂ€tten mitnehmen mĂŒssen. So staunen wir einfach ĂŒber all die Schilder aus nah und fern, vorallem natĂŒrlich ĂŒber diejenigen mit Schweizer Bezug. Weiter gibt es auch ein sehr gutes Visitor-Center. Der Schwerpunkt ist der Alaska-Highway und zu dessen Entstehung gibt es einen interessanten Film. Wir bekommen aber auch ĂŒber den sonstigen Yukon viele gute Unterlagen und nicht nur Prospekte von kommerziellen Anbietern, wie sonst so oft.
Robert Campbell Highway
In Watson Lake verlassen wir den sehr stark befahrenen Alaska Highway und zweigen auf dem Robert Campbell Highway ab. Diese rund 600 km lange Strasse wird viel weniger benutzt, wohl weil ein Grossteil davon nicht asphaltiert ist und es nur zwei Ortschaften gibt, die erste Tankstelle gibt es nach 363 km. Bis vor kurzem war die Strasse wegen den weiter oben erwÀhnten WaldbrÀnden rund drei Wochen gesperrt. An mehreren Stellen quillt der Rauch immer noch aus dem Boden, Flammen sehen wir aber keine mehr, Feuerwehrleute als Brandwache auch nicht.
In unserem ReisefĂŒhrer wird vor dem Befahren des Robert-Campbell Highway bei schlechtem Wetter gewarnt, insbesondere auf den nicht asphaltierten TeilstĂŒcken. Obwohl es immer wieder regnet haben wir aber ĂŒberhaupt keine Probleme mit der Strasse, die Kies-Fahrbahn ist extrem fein, fast so fein wie eine Asphalt-Strasse, so dass wir den Luftdruck nicht verringern. Einzig Jupi sieht nach der Fahrt noch heftiger aus, die ganze RĂŒckseite ist mit braunem Dreck versaut, unser Nummernschild neu einfarbig braunâŠ
In Ross River, der ersten Ortschaft nach 363 km machen wir einen Stopp. Es ist eine Ansammlung von HĂ€usern mit einer Tankstelle, rund 400 Einwohner. Obwohl wir mehr als die halbe Strecke hinter uns haben und der Tank noch mehr als halbvoll ist, fĂŒllen wir ihn hier nochmals auf, sicher ist sicher.
In Ross River gibt es die lĂ€ngste HĂ€ngebrĂŒcke auf dem Yukon Territorium, sie ist nur fĂŒr FussgĂ€nger. FĂŒr Fahrzeuge gibt es daneben eine FĂ€hre. Die Strasse dahinter, die North Canol Road wĂ€re eine interessante Offroad-Route. Eine Touristin in unserem Alter ist mit ihrem 4×4 Subaru und Zelt hier und fragt uns, ob wir nicht mit ihr diese Offroad-Tour machen wĂŒrden, sie möchte es nicht alleine versuchen. Doch der Wetterbericht fĂŒr die nĂ€chsten Tage ist uns zu schlecht, es ist teilweise starker Regen angesagt und die letzten Tage waren auch nicht gerade trocken.
Unterwegs sehen wir neben dem bereits frĂŒher erwĂ€hnten Elch-Bullen noch diverse RaufusshĂŒhner am Strassenrand. Bei der Bestimmung bin ich nicht sicher, wahrscheinlich ist es ein Kanadisches Waldhuhn. Und am Abend entdecken wir sogar noch einen Luchs, so genial. Zuerst ist er ganz ruhig, doch nach etwa 10 Sekunden verzieht er sich in den Wald. Die meisten Tiere, die wir aber sehen, sind wieder einmal die MĂŒcken. Wir haben schon seit Jahren MĂŒckennetze dabei, jetzt erinnern wir uns daran und sie kommen erfolgreich zum Einsatz. Ich mache so ein paar DrohnenflĂŒge, denn die Landschaft mit ihren vielen Inseln sieht von oben einfach fantastisch aus. Und am Abend grilliere ich zwischen all den MĂŒcken, es geht ganz gut.
Wegen dem schlechten Wetter resp. Wetterbericht beschliessen wir, direkt nach Dawson-City zu fahren und nicht mehr Zeit auf dem landschaftlich wunderschönen Robert-Campbell – Highway zu verbringen. Falls das Wetter auf der RĂŒckfahrt in den SĂŒden aber besser ist, wollen wir hier nochmals vorbeikommen.
Wir biegen auf den Klondike-Highway ein und auch hier gibt es bald wieder lÀngere Baustellen. Der Asphalt ist komplett weg und wir können nur mit einem Pilot-Fahrzeug durch die Baustelle fahren, die rund 20 km lang ist. Links und rechts von uns wird mit schweren Baumaschinen gearbeitet, in der Mitte kreuzen wir ein Pilot-Fahrzeug mit Fahrzeugen aus der andern Richtung.
Am Abend hören wir auf unserem ziemlich einsamen Ăbernachtungsparkplatz plötzlich schwere Motoren-GerĂ€usche. Und zu unserer Ăberraschung fĂ€hrt die Talni-Crew ein. So ein Timing, nicht schlecht. So gibt es wieder einen lĂ€ngeren Abend, diesmal in ihrem Fahrzeug und nicht draussen bei den MĂŒcken.
Yukon River
Der Fluss-Name Yukon stammt von den First Nations (Ureinwohner) und bedeutet so viel wie grosser Fluss. Wir sehen ihn zum ersten Mal kurz vor dem Ende des Robert Campbell Highway und sind ĂŒberrascht von der Grösse, in unseren Augen ist er bereits ein Strom. FĂŒr die First Nation aber auch fĂŒr die europĂ€ischen Einwanderer war dies die Lebensader fĂŒr diese Gebiete im Norden Kanadas, so lange der Alaska-Highway noch nicht bestand. Je nach Messweise ist das GewĂ€sser zwischen 2’500 und 3’285 km lang. Zum Vergleich, der Rhein misst rund 1’233 km.
Es gibt entlang des Flusslaufs an verschiedenen Orten Aussichtspunkte. Wir bekommen da zwar einen Eindruck, aber zum Fotografieren sind immer wieder StrĂ€ucher und BĂ€ume im Weg, deshalb steht unsere Drohne im Dauereinsatz. Die Resultate sind aus unserer Sicht eindrĂŒcklich, denn man erkennt sehr gut, wie dieser Strom noch ein natĂŒrliches Flussbett besitzt und ĂŒberall Inseln bilden kann.
Zwischen den Five Finger Rapids (FĂŒnf Finger Stromschnellen) mussten frĂŒher die Schaufelraddampfer durchfahren. Fluss runter ging es mit guter Steuerung, doch damit sie sicher auch den Fluss hoch kamen, waren Kabel gespannt, so dass sie sich wie eine KabelfĂ€hre daran hoch angeln konnten. Viele Felsen der Stromschnellen wurden auch im Laufe der Jahre weggesprengt, damit die Durchfahrt sicherer wurde.
Auf dem Weg zur Besucherplattform in der NĂ€he der Stromschnellen hat es wieder sehr viele MĂŒcken, wir haben aber unsere MĂŒckennetze dabei und so keine Probleme – ausser dann beim hochwandern, da kommen wir etwas mehr ins Schwitzen. Beim Verschnaufen entdecken wir dafĂŒr noch ein paar schöne Pilze.
Dawson-City
Wir kommen in die GoldgrĂ€ber-Stadt am Yukon-River. 1896 wurde hier viel Gold gefunden, was einen grossen Goldrausch auslöste und dazu fĂŒhrte, dass sich ab 1897 rund 100’000 Personen auf den Weg in diese Einöde machten. Die Reise war damals extrem anstrengend und aufwendig, denn es musste der Proviant fĂŒr mindestens eine Saison sowie alles notwendige SchĂŒrf-Material mitgenommen werden, rund eine Tonne Material. Ein Grossteil gab unterwegs auf, trotzdem erreichten noch mehrere 10’000 Personen das erst 1896 gegrĂŒndete Dawson-City, das bis dahin erst wenige Einwohner hatte und jetzt richtig gehend explodierte. Doch die meisten neuen GoldgrĂ€ber kamen zu spĂ€t, diejenigen aus der Region waren schneller und praktisch alles Land, die sogenannten Claims, waren bereits an diese vergeben. Trotzdem boomte die Stadt, vorallem das «Goldnebengewerbe», d.h. alles was mit dem fĂŒr die Goldförderung notwendigen Material zusammenhing, aber auch Bars, Saloons und BordelleâŠ
Auch der berĂŒhmte amerikanische Schriftsteller Jack London versuchte sich zu dieser Zeit hier als GoldgrĂ€ber, er kam als einer der ersten an und erwischte noch einen Claim, doch bei der Ăberwinterung erkrankte er an Skorbut. DafĂŒr war er nach seiner RĂŒckkehr mit der Schriftstellerei sehr erfolgreich, in dem er unter anderem die hier beobachteten Charaktere beschrieb oder daraus Geschichten entwarf wie z.Bsp. Ruf der Wildnis.
Doch auch die Ureinwohner beteiligten sich am Goldrausch, einerseits in dem sie selbst nach Gold suchten und sich dabei oft mit Weissen zusammentaten oder indem sie ihnen Lebensmittel, Kleider und Felle verkauften.
Teilweise wird noch heute in den um 1898 entdeckten Minen Gold gefördert, es ist allerdings ein harter Job und hat nichts mit schnellem Geld zu tun. GemĂ€ss den Infos im örtlichen Museum hier gibt es rund 100 aktive Minen-Gebiete, in denen nach Gold geschĂŒrft wird.
Die Zeit im Ărtchen scheint stillzustehen, der Tourismus ist ein wichtiger Erwerbszweig und das heute rund 1’400 Einwohner zĂ€hlende Dawson-City macht voll auf alte GoldgrĂ€berstadt, die HĂ€user sehen alle «von gestern» aus. Auch ist nur die Hauptstrasse asphaltiert, alle ĂŒbrigen Strassen sind naturbelassen, entsprechend staubig ist es ĂŒberall (ausser es regnet gerade…). Ăber den Yukon-Fluss kommt man nur mit einer FĂ€hre auf die andere Seite, danach geht es auf dem Top of the World Highway bis nach Alaska.
Die Temperatur der Böden im nördlichen Yukon liegt ganzjĂ€hrig unter Null Grad, Permafrost. Taut der Boden an einer Stelle auf, senkt er sich, wo ein Haus steht, ist dies nicht gut, es sinkt dann dort ein paar Zentimeter ein… Deshalb sind z.Bsp. die Tanks von Tankstellen immer ĂŒber dem Boden und nicht wie bei uns im Boden vergraben.
Schaufelbagger Dredge No 4
Wir besuchen den Schaufelbagger Nr. 4 (Dredge No 4) und entscheiden uns mutig fĂŒr eine französischsprachige FĂŒhrung. Wir haben GlĂŒck, denn der FĂŒhrer weiss enorm viel, spricht zwar mit Quebequois-Akzent aber wir verstehen ihn recht gut. Ob wir den Dialekt langsam lernen? Auch die ĂŒbrigen Gruppenteilnehmerinnen und -teilnehmer verstehen wir fast alle sehr gut, es gibt viele interessante Fragen.
Der Schaufelbagger wurde 1912 an seinem Startort zusammengesetzt und förderte dann von 1913 – 1959 Gold. Er sank mehrmals, auch wurden Teile der Holzkonstruktion immer wieder ausgewechselt, aber alle Maschinen sind noch original. GemĂ€ss dem FĂŒhrer waren fĂŒr das riesige Monster nur vier (4) Mann Besatzung notwendig, in Wikipedia werden allerdings noch ein paar mehr aufgezĂ€hlt. Aber all dies ohne Computer und High-Tech, das war schon eine Leistung.
Der Schaufelbagger wurde mit Strom betrieben, dazu war er von Land mit Stromleitungen verbunden, ebenfalls hatte das Fahrzeug ein Telefon an Bord, war also auch mit einer Telefonleitung verbunden, unglaublich modern fĂŒr die damalige Zeit. Da der Boden hier dauernd gefroren ist (Permafrost), dauerten die Vorbereitungsarbeiten jeweils 5 Jahre, d.h. es musste zuerst alles gerodet, sondiert und dann der Boden langsam aufgetaut werden, indem viele Eisenstangen in den Boden gerammt wurden, teilweise an Dampf angeschlossen.
Mit der Drohne konnte ich den ganzen Umfang des Schaufelbaggers fotografieren, aber auch GoldgrÀber-StÀtten, wo heute noch gearbeitet wird, mit grossen Baggern und Lastwagen.
Planungsarbeiten
Wir benutzen die Zeit in Dawson-City auch, um unsere Planung fĂŒr die nĂ€chsten rund 40 Tage zu verfeinern. Wir haben im Herbst noch einiges vor und wollen wissen, ob das zeitlich ĂŒberhaupt alles möglich ist. Fazit: Es sieht sehr gut aus und wir haben sogar noch etwas Reserve.
Und wir treffen hier Flavia und Georg wieder, das PĂ€rchen aus dem Tessin, welches wir in QuĂ©bec auf dem Campingplatz in Roche PercĂ© bei den Basstölpeln trafen. Sie kommen gerade vom Dempster Highway zurĂŒck. Es hat ihnen sehr gefallen, es scheint fĂŒr ihr Fahrzeug aber sehr anstrengend gewesen zu sein, hatten sie doch zwei Mal einen Platten. Nun, das kennen wir, waren wir doch 2015 auch mit einem Fiat Ducato auf Island und hatten auf den vielen Kiesstrassen viele Platten geholt. Unsere «normalen» europĂ€ischen Pneus sind nicht fĂŒr solche Strassen gemacht. FĂ€hrt man viel auf Kiesstrassen, ist aus meiner Sicht ein AT-Reifen Pflicht.
Top of the World Highway
Da wir genĂŒgend Zeit haben, fahren wir diesen 100 km langen Highway noch ab. Diese Strasse fĂŒhrt meist den Kreten von 900 – 1200m hohen HĂŒgeln entlang, in der Ferne sehen wir noch höheres Gebirge. Hier im hohen Norden von Kanada liegt die Baumgrenze auf 1000 – 1100 mĂŒM, so dass wir meist eine gute Fernsicht haben. Der Top of the World Highway ist eine wunderbare Panoramastrasse, grösstenteils nicht asphaltiert, mit nur wenig Verkehr und erinnert uns sehr stark an den Blue Ridge Parkway in North Carolina, wo Bettina und ich zwei Jahre lebten und arbeiteten. Er fĂŒhrt von Dawson-City ĂŒber den Yukon bis an die amerikanische Grenze in Alaska.
Wir ĂŒbernachten unterwegs und fahren am nĂ€chsten Tag bis kurz vor die Grenze und unternehmen dort eine mehrstĂŒndige Wanderung, ohne mit einer einzigen MĂŒcke zu kĂ€mpfen. Die Temperaturen sind kĂŒhl, in der Nacht 6 Grad, am Tag 10 – 14°C.
Danach fahren wir zurĂŒck, machen aber noch einen Abstecher via die Clinton Road nach Forty Mile. Diese GoldgrĂ€bersiedlung liegt unten am Yukon River und da wimmelt es wieder von MĂŒcken. Die Siedlung Forty Mile ist heute nur noch eine Geisterstadt, hier wurde 1886 das erste Gold im Yukon Territorium gefunden und ein Jahr spĂ€ter eine Siedlung gegrĂŒndet. Die Siedlung wurde regelmĂ€ssig mit Schaufelraddampfer angefahren und so versorgt. Nach den Goldfunden bei Dawson-City zogen aber die meisten dorthin.
EinkÀufe
Bevor wir weiterfahren, verproviantieren wir uns noch einmal in Dawson-City. Den nĂ€chsten Supermarkt auf dem Dempster-Highway gibt es erst nach rund 700 km in Inuvik. Hier ist das Einkaufen nicht so einfach, viel Obst und GemĂŒse hat grauen Schimmel, viele Lebensmittel sind seit Wochen abgelaufen, man muss sehr aufpassen was man kauft. Das Einkaufen erinnert uns etwas an die Mongolei: Frischwaren gibt es nur sehr beschrĂ€nkt und teuer, dafĂŒr gibt es viel gĂŒnstiges Fleisch und natĂŒrlich Konserven.
Unser nÀchstes Ziel heisst:
Was wir wohl alles unterwegs auf dem Dempster Highway erleben werden und wie es wohl am Arktischen Ozean sein wird? Mehr ĂŒber die knapp 1’000 km lange Reise auf Kiesstrasse dann im nĂ€chsten Bericht.
Unsere Route
Im folgenden unsere Route auf der Karte, die wir mit Jupi wĂ€hrend dieses Bericht-Zeitraums gefahren sind. Jupi sendet alle 15 Minuten seine Position via Spot Satelliten-Tracker an uns, deshalb folgt die Route nicht genau der Strasse, sondern macht etwas «AbkĂŒrzungen».
Die aktuelle Position von Jupi, wie auch die gesamte Route unserer Nordamerika-Reise seit dem 26. Mai 2022, ist auf dieser Seite zu finden: https://www.jupi.bvision.ch/jupispot/