Über Georgien in die Türkei
Von unseren nördlichen Elbrus-Aussichtspunkten fuhren wir direkt bis zur georgischen Grenze. Nein, nicht direkt, denn in der letzten russischen Stadt davor «verputzten» wir noch unsere restlichen Rubel, d.h. tankten das Fahrzeug voll und kauften Lebensmittel ein. Kurz nach 18 Uhr verliessen wir Russland zum dritten und letzten Mal auf dieser Reise und erreichten Georgien mit einsetzender Dunkelheit. Die Grenzpassage dauerte kaum eine halbe Stunde und ein paar Kilometer nach der Grenze konnten wir die obligatorische Autohaftpflichtversicherung kaufen, ebenso wie eine georgische SIM-Karte, so dass wir auch in diesem Land immer mit der restlichen Welt verbunden waren.
Georgien war wie die drei von uns zuvor besuchten Stan-Staaten früher Teil der Sowjetunion und davor lange Zeit Teil des russischen Zarenreiches. Seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 ist es wieder ein unabhängiger Staat mit einer Fläche von knapp 70’000km2, also etwa 50% grösser als die Schweiz und 3.7 Millionen Einwohner, etwa 50% weniger als die Schweiz. Wie die Schweiz ist es sehr gebirgig, es liegt im Kaukasus und die höchsten Gipfel sind über 5’000 Meter hoch. Georgien und Russland unterhalten keine diplomatischen Kontakte zueinander, diese werden von der Schweiz wahrgenommen. Der Grund dafür sind die Auseinandersetzungen um die Gebiete in Abchasien und Südossetien, die sich beide von Georgien losgesagt und für unabhängig erklärt haben und heute primär von Russland unterstützt werden.
Auf den ersten Kilometern ging es ein Tal hoch, es schien uns alles etwas eng und schmal und bis wir in der ersten Ortschft waren, war es schon dunkel und irgendwie leuchteten unsere Scheinwerfer nicht so hell. Ob der unebene und dunkle Asphalt weniger Licht als gewöhnlich zurückreflektiert? Insbesondere der letzte Kilometer zum Stellplatz (iOverlander) hatte es in sich, es war jedenfalls schwierig in völliger Dunkelheit über den notwendigen Feldweg zu fahren. «Jetzt wären starke, am Alkoven oben montierte Schweinwerfer hilfreich», war unsere Feststellung. Doch wir fanden unseren Platz auch so und verbrachten eine ruhige Nacht.
Am nächsten Tag entdeckten wir, dass beim rechten Schweinwerfer das Abblendlicht nicht mehr funktionierte. Aha, deshalb gestern kaum was gesehen. Auf dem Weg nach Tiflis stoppten wir bei einem grösseren Stausee und assen einen Chatschapuri. Diese georgische Spezialität ist ein zusammengelegtes Fladenbrot, in dem es einen Sauerkäse hatte. Es war noch warm und mundete uns sehr.
Wir fuhren weiter in die georgische Hauptstadt, wo wir im Waschsalon namens «Speed Queen» endlich all unsere Wäsche wieder einmal richtig waschen und in einem Tumbler trocknen konnten. Da uns Tiflis aber irgendwie gerade nicht sonderlich anmachte, fuhren wir gleich raus aus dieser hügeligen Stadt mit teils recht engen Strassen sowie tief herunter hangenden Ästen und übernachteten ausserhalb. Weiter ging es am nächsten Tag Richtung Südwesten, wir wollten als nächstes die Höhlenstadt Wardsia (auch Vardzia geschrieben) besichtigen. Unser Weg führte westlich von Tiflis gem. unseren OSM-Karten über eine gelbe, also gute Strasse. Doch diese Strasse erwies sich immer mehr als besserer Feldweg, teilweise ziemlich ausgefahren und immer wieder mit sehr steilen Passagen, überraschend abenteuerlich. Dazu kamen noch die vielen tiefhängenden Äste auf den schmalen Abschnitten, die Jupi wohl den einen oder andern Kratzer hinzugefügt haben. Voraus sahen wir dunkle Wolken, umkehren wollten wir eigentlich nicht. Der Feldweg führte von einem Dorf ins nächste, Täli rauf – Täli runter. Der Weg war definitiv nicht mehr «Prius-tauglich», doch Jupi meisterte das ganze dank guten Pneus, 4×4 und Untersetzungsgetriebe mit Bravour. Immer mal wieder wenn es steil und über grobe, teils auch feuchte Steine hoch ging, griffen die elektronischen Sperren ein, d.h. bremsten das durchdrehende Rad ab und verteilten die Energie auf die andern drei Räder. Nach rund 2 Stunden hatten wir 27km hinter uns gebracht und fuhren wieder auf Asphalt.
Und das alles noch vor dem Frühstück.
Zuerst mal wieder atmen.
Dann fuhren wir noch etwas weiter um unseren Adrenalinspiegel zu senken, bevor wir unsere Frühstücksrast einlegten.
Gegen Abend kamen wir in Wardsia an und besichtigten dessen in Stein gehauene Höhlen am nächsten Tag. Die Stadt wurde im 12. Jahrhundert in einen Felshang gebaut. Sie diente vorallem als Grenzfestung gegen Türken und Perser, später auch als Kloster. Ursprünglich gab es 3’000 Wohnungen mit jeweils drei Räumen für rund 50’000 Menschen. Die Wohnungen waren durch Tunnels und mit Leitern verbunden. Einerseits wegen zu dünnen Wänden zwischen den einzelnen Räumen (teilweise nur noch 10 – 20cm) und andererseits wegen einem Erdbeben ging aber vieles kaputt resp. der vordere Teil rutschte ab, so dass es heute noch rund 750 Räume gibt. Diese sind jetzt aber meistens gegen vorne offen, was ursprünglich nicht der Fall war. Am Anfang war alles noch interssant, doch irgendwann sah jede Wohnung wie die vorherige aus und dann fing es auch noch zu tröpfeln an. Wir beendeten unsere Besichtung und fuhren weiter, Kurs West Richtung Batumi, Schwarzes Meer.
Wir wählten die «abenteuerlichere» Südroute, wo nach ca. 90km der Asphalt aufhörte. Hier konnte man sehr gut die Auflösung einer ehemaligen Asphaltstrasse in all ihren Zwischenstadien beobachten resp. befahren. Die Strasse war aber sehr breit und absolut «Prius-tauglich», also für Jupi keine grosse Herausforderung. Kurz nach der Passhöhe von über 2’000 Meter übernachteten wir gleich neben der Strasse, es war bereits wieder fast dunkel und hatte relativ wenig Verkehr. Und da für die Nacht starke Niederschläge angesagt waren, wollten wir in dieser Gebirgsregion keine Risiken mit Stellplätzen auf «Dreckstrassen» eingehen, die nach Regen temporär unpassierbar werden. Und in der Nacht kam dann auch der Regen, starker Regen, viel Regen; doch in unserem Jupi war es gemütlich und wir schliefen beide gut.
Weiter ging es am nächsten Tag nach Batumi. Wir gaben hier unsere restlichen Lari aus, so der Name der georgischen Währung. Schon lange hatten wir auf iOverlander gesehen, dass es hier einen Carrefour-Supermarkt gab, diese Kette aus Frankreich ist uns bestens bekannt und wir wurden auch diesmal nicht enttäuscht. Danach besuchten wir den Strand am Schwarzen Meer, das überhaupt nicht schwarz war.
Irgendwie wurden wir beide mit Georgien nicht so recht warm und entschlossen uns deshalb, gleich weiter in die Türkei zu fahren. Die Grenzpassage dauerte dieses Mal kaum noch 15 Minuten, keine Formulare ausfüllen, nur die Pässe zum Stempeln abgeben und das Fahrzeug inspizieren lassen. Dann konnten wir bereits wieder weiterfahren.
Wir waren in der Türkei, wau. Vierspurige Strassen, keine Schlaglöcher, keine zerfallenen Häuser, eigentlich wie Westeuropa. Was für ein Kontrast zu den Ländern, die wir in den letzten Monaten besucht hatten. Allerdings ist beim Verkehr kaum ein Unterschied zu den in den letzten Monaten bereitsten Ländern festzustellen, sie scheinen auch noch ein Dschingis Khan Gen in sich zu haben: Geschwindigkeiten einhalten – ich hab’s gerade pressant. Anhalten an Fussgängerstreifen – die sollen selber aufpassen. Sicherheitsgurten anlegen – mir passiert noch nichts, etc…
Und dann die erste Ortschaft in der Türkei und was sahen wir da? Wir glaubten unseren Augen nicht: Migros.
Selbstverständlich besuchten wir diese Schweizer Supermarktkette sofort, sie war auch in der nächsten Ortschaft vertreten. Aber wir waren etwas enttäuscht, denn wir fanden überhaupt keine Schweizer Migrosprodukte darin, also weder Schokolade von Frey, noch die guten Eierteigwaren, I Am – Artikel, Aproz-Mineralwasser oder irgendwelche M-Budgetprodukte. Es war aber auch nur ein kleiner Laden, maximal ein M Migros, ob es auch MMM Migros hier gibt?
Hier im Nordosten der Türkei waren die Hänge voll mit Teepflanzen und an vielen Orten wurden sie gerade geerntet, d.h. die Blätter wurden abgeschnitten. Wir konnten uns davon nicht satt sehen und fotografieren diese Szenerie immer wieder. Einmal, als ich in der Nähe einer Tankstelle fotografierte, wurde mir sogar ein Glas Tee angeboten. Die Berge kommen hier praktisch bis ans Schwarze Meer und jedes Fläckchen wird irgendwie genutzt, sei es durch Häuser, Strassen, Teeplantagen oder Nussbäume, deshalb war es gar nicht so einfach für die Nacht ein freies Plätzchen zu finden und auch auf iOverlander waren kaum Plätze eingetragen.
Hier in der Türkei werden wir nun für mindestens die nächsten zwei Monate bleiben.